Sinsheim. (at) Are you ready? Bereit für eine Zeitreise? Bereit für einen Sprung in die lärmenden Fluten des Punk-Rock? Während die Bandmitglieder noch an den Verstärkern herumjustieren, um den brachliegenden Soundstrom zum Fließen zu bringen, meint man im proppenvollen Sam-Café vertraute Szenerien aus den seligen Tagen des Schwimmbadclubs zu erkennen. Das Discodimmerlicht ist hinreichend ähnlich; die vielstimmige Klangkulisse verbindet sich mit einem ganz, ganz leichten Geruch nach Bier und dem klebrigen Gefühl verschütteter Flüssigkeit unter den Schuhen zum verblüffend echt wirkenden Bild eines Clubkonzerts am Ende des vergangenen Jahrtausends. Was fehlt ist das charakteristische Zigarettenrauchgewaber – und ein blutjunges Publikum. Der Altersdurchschnitt der weit über 60 Gäste liegt schätzungsweise bei plus minus 50, was sie nicht daran hindert, bei den nun endlich loskrachenden Gesangstiraden mitzugehen wie Teenager. Der in Deutsch, Englisch und Spanisch performende Leadsänger Volker und seine vier Kollegen Maui, Marco, Marc und Thomas der Band „Cosmic Cells“ bieten mit selbstverfassten Songs wie „Vorwärts“ oder „Peter“ echte Independent-Perlen, deren Lautstärke ihrer Hardcore-Traditionslinie zu Ehren gereicht und die eine oder andere im Publikum frenetisch mittanzen lässt. Die musikalische Power der größtenteils aus Sinsheim stammenden Bandmitglieder reicht nach eineinhalb kraftvoll-lauten Stunden noch für mehrere Zugaben. Die ganze Zeit prangt das strahlend silberweiße Bandlogo wie ein mit angespitzten Spikes versehenes Coronavirus hinter den Instrumenten, als wolle es daran erinnern, dass zwischen den feierfreudigen 90ern und heute durchaus das eine oder andere Spektakel über die Bühnen der Welt gezogen ist. Spektakel, die manche aus der Zuschauerperspektive beobachteten, andere zum Handeln animierten wie Andreas Banse und Marcel Fink, die das kostenlose und höchst erfolgreiche Konzert in den Räumen des Cafés erst ermöglicht hatten. Als Begründer der Sinsheimer Arbeitsgemeinschaft Migration e.V. (SAM) betreiben sie das Café als Anlaufstelle für Geflüchtete, wollen aber ganz bewusst auch Einheimische einladen, Kontakte zu knüpfen, wozu solche Events beitragen sollen. Dass die Vermischung beider Gruppen nicht ganz einfach ist, steht außer Frage, dass dies für eine gelungene Integration und eine funktionierende Gesellschaft unabdingbar notwendig ist, allerdings auch. So wie gute Performance in jeder Kunstform nur durch Übung gelingen kann, erfordert auch die Arbeit mit Migrantinnen und Migranten unablässiges Engagement. Am Ende schreibt Drummer Thomas sein allererstes Autogramm, für eine Ukrainerin im Teenageralter, und bietet auf Nachfrage gleich noch substantiellen Deutschunterricht: „Das Ding da heißt Schlagzeug.
“ Daran arbeitet man sich ab vom Anfang des Konzerts bis zum Ende. Das ist anstrengend und ja, auch erschöpfend, fast wie Arbeit im sozialen Bereich. Man darf nicht nachlassen bei allem, was kommt. Are you ready?